#06 Am Campingplatz

Unsere heutige Szene spielt an der Rezeption eines wunderschönen Campingplatzes in Prenzlau, vor der sich mittlerweile eine kleine Warteschlange gebildet hat. Es ist 15:27, der Pensionist Heinz-Rüdiger aus Fulda checkt gerade sein Wohnmobil ein. Und weil Trainee Nadine, die neue Rezeptionistin, noch nicht so fit mit dem Computerprogramm ist, dauert es eben etwas länger. Egal, man hat ja Urlaub. Und kann die Wartezeit für wichtige Dinge nutzen. Börsenkurse checken, mal schnell auf DeFiChain einen Short auf einen dToken hinlegen oder mit Tante Ruth per Whatsapp das Wetter besprechen.

Kai-Uwe erscheint. Ein blonder Hühne mit schnittiger Kurzhaarfrisur und Oberarmen, die vom Umfang her ursprünglich vermutlich ein Oberschenkel hätten werden sollen. Kai-Uwe pumpt anscheinend konsequent Eisen. Oder wirft Hämmer durch die Gegend. In einem Thor-Doppelgänger-Wettbewerb hätte er sicher den zweiten Platz belegt, und das auch nur, weil seine Haare für einen nordischen Gott zu kurz sind.

„TACH! WEM GEHÖRT DAS WOHNMOBIL AUS FULDA VOR DER EINFAHRTSSCHRANKE?“ schallt es in den Raum. Alle stehen sofort Habt-Acht und wenden ihren Blick ehrfürchtig Richtung Eingangstür.

Heinz-Rüdiger gibt kleinlaut zu, dass er der Besitzer des Wohnmobils sei. Und es entwickelt sich folgender Dialog:

„DAS IST NICHT GUT!“

„Entschuldigung, ich wusste nicht, wo ich hier anders parken kann.“

„SIE BEHINDERN DIE EINFAHRT, KOLLEGE! DAS IST NICHT GUT!“

„Ja ich weiß, aber wie gesagt, ich sah keine andere Möglichkeit“

„ES MÖCHTEN SCHLIESSLICH AUCH ANDERE CAMPER IN DIESEN CAMPINGPLATZ EINFAHREN! DAS IST NICHT GUT!“

„Völlig klar, es tut mir leid, die Beschilderung hier ist so schlecht“

„DENNOCH KÖNNEN SIE NICHT EINFACH VOR DER SCHRANKE PARKEN! DAS IST NICHT GUT!“

Heinz-Rüdiger wirkt schon sehr eingeschüchtert und ratlos.

Tante Ruth wartet vergeblich auf weiteren Text in Whatsapp.

Der dToken-Short droht zu scheitern.

Und es gibt kein Popcorn…

„Ich… äh… einchecken… die Dame… äh…“

Von Trainee Nadine sieht man nur mehr die Spitze ihres Dutts hinter dem Tresen.

„DAS IST NICHT GUT! STELLEN SIE SICH VOR, DAS WÜRDE JEDER SO MACHEN, KOLLEGE! WOZU DENKEN SIE, IST DER PARKPLATZ NEBEN DER EINFAHRT?

„Verzeihung, den habe ich nicht gesehen. Die Beschilderung…“

„JA DANN AUGEN AUF AUF DER STRASSE, KOLLEGE! WENN SIE DIE BESCHILDERUNG NICHT LESEN KÖNNEN, DANN SOLLTEN SIE VIELLEICHT NICHT AUTOFAHREN! DAS IST NICHT GUT!“

„Ich checke nur schnell ein, dann bin ich weg, in Ordnung?“

„NICHTS IST IN ORDNUNG, SIE BLOCKIEREN DIE SCHRANKE! DAS IST NICHT GUT!“

„Ich habe verstanden, aber ich möchte doch nur noch fertig einchecken“

„NA DANN SOLL DAS FRÄULEIN AM TRESEN MAL GAS GEBEN! ICH MÖCHTE HIER EINFAHREN! UND SIE STEHEN VOR DER SCHRANKE! DAS IST NICHT GUT!“

Das Klappern der Tastatur ist verstummt. Trainee Nadine weint leise vor sich hin.

„OK, dann mache ich das hier später fertig? Soll ich wegfahren? Wo ist denn dieser Parkplatz?“

„JA DAS WÄRE MAL GUT! HURTIG, KOLLEGE! UND WO ES NICHT GLATT IST, KANN MAN LAUFEN!“

Heinz-Rüdiger schleicht sich ängstlich und leicht geduckt an dem Teutonen vorbei, Kai-Uwe verweilt noch für eine letzte Botschaft an das Auditorium:

„MAN KANN NICHT EINFACH PARKEN, WO MAN WILL! DAS IST NICHT GUT! WO KOMMEN WIR DENN SONST HIN, WENN SICH NIEMAND AN DIE REGELN HÄLT? TACH!“

Es ist 15 Uhr 37. Knapp 10 Minuten verschissen. Für nix.

Kai-Uwe geht ab. Trainee Nadine überlegt kurz eine Umschulung zur Wurstwarenfachverkäuferin, der Personalmangel im Lebensmittelhandel ist ohnehin evident. Der dToken-Short ist zwar noch am Laufen, aber uninteressant. Denn es gibt jetzt viel zu erzählen. Tante Ruth wird sich freuen …

In Österreich würde man die Situation folgendermaßen lösen:

„Lustiger, kannst Du deinen Plastikbomber dann mal wegfahren?“

„Bin gleich fertig, trink in der Zwischenzeit ein Bier, das zahle ich, OK?“

Fertig in 10 Sekunden.

Die Quintessenz dieser kleinen Geschichte? Man kann Probleme lösen, oder man kann zeigen, wie gut man (angebliche) Probleme erkennt. Kai-Uwe als Prototyp des belehrenden Klugscheissers, der anderen gut aufzeigen kann, was falsch läuft. Ständig wiederholt, was nicht gut ist. Ohne eine Lösung anzustreben – denn anscheinend ist es wichtiger, als der dazustehen, der Recht hat, der die Gesetze kennt, der weiß, wie es zu laufen hat.

So erlebe ich verstärkt auch die Situation in manchem Crypto-Projekt. Ja, es steht manchmal jemand/etwas vor der Schranke. Ja, manchmal gibt es Hindernisse. Dann kann man laut schreien, andere belehren, wie es sein sollte, auf Recht und Ordnung pochen. Oder man kann Geduld haben, eine Lösung suchen und in der Zwischenzeit ein kostenloses Bier trinken.

Alles wird gut. Die Schranke geht wieder auf. Und ohne rechthaberisches Mackergehabe vermutlich sogar schneller.

Prost!